„Allein schon Deutschland II“

Als vor 20 Jahren, in der Woche vom 17. bis 22. September 1991, Steine und Brandflaschen auf die Unterkünfte von VertragsarbeiterInnen und Asylsuchenden in Hoyerswerda flogen, haben viele BürgerInnen applaudiert. Mehrere hundert Menschen belagerten die Wohnheime fünf Tage lang, skandierten rassistische Parolen und versetzten die BewohnerInnen in Angst und Schrecken. Die Polizei sah sich nicht im Stande, diese Angriffe zu beenden. Schließlich wurden alle BewohnerInnen der Heime mit Bussen aus der Stadt evakuiert, weil ihre Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte. Der rassistische Mob hatte gesiegt. http://pogrom91.tumblr.com/kurzaufruf

Mit den Angriffen auf die Asylsuchenden in Hoyerswerda begann eine Serie von Pogromen im „wiedervereinten“ Deutschland, die nicht nur von organisierten Neo-Nazis, sondern vor allem auch von „ganz normalen“ Deutschen ausgingen. Im Taumel des „Es wächst wieder zusammen, was zusammen gehört.“ [Willy Brandt am 10.November 1989] und dem damit verbundenen neuen deutschen Großmachtstreben richtete sich die Wut des Mobs wieder gegen Menschen, die nicht zum imaginierten deutschen Volkskörper passten. Die Gruppe Café Morgenland fand sich in den inner-linken Auseinandersetzungen nach und um Hoyerswerda zusammen. Hier bestanden zwei Positionen in allen Politgruppen in denen sie zuvor organisiert waren. Die eine Seite sprach sich für eine Demonstration in Hoyerswerda aus, um Aufmerksamkeit zu erzeugen und die Einwohner_innen von der Schlechtigkeit ihres Tuns zu überzeugen, die andere für eine Art Strafexpedition, um alles kurz und klein zu schlagen. Die entscheidende Frage war also die des Umgangs mit der deutschen Bevölkerung, ihrem Anteil am Pogrom und in wieweit noch auf sie als Ziel der Aufklärung gehofft werden konnte. Diese Spaltung verlief quer durch alle Gruppen, entlang der „Kartoffel-Grenze“. Die „Deutschen“ waren für die Demo, diejenigen, die alltäglich den rassistischen Ausgrenzungen der Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt waren, für die „Strafexpedition“. Aus dieser Erfahrung entstand der Wunsch sich in einer eigenen Gruppe zu organisieren. Für sie war die Hoffnung auf das „deutsche Volk“ als revolutionäres Subjekt damit spätestens Anfang der neunziger Jahre zerstört. In unserer Veranstaltung „Allein schon Deutschland II“ soll es darum gehen, diese Diskussion nachzuzeichnen, Begriffe der Kritik zu finden, die Rassismus und Antisemitismus in Deutschland kritisieren, und dabei nicht die deutsche Spezifik vernachlässigen. Eine Spezifik in der Verfasstheit der Gesellschaft, der spezifisch deutsche, völkische Nationalismus, der Auschwitz erst möglich machte und heute noch immer nicht überwunden ist. Wir wollen eine Kritik formulieren, die aufzeigt, dass mit einer positiven Bezugnahme auf Deutschland eine Kritik an Rassismus und Antisemitismus nicht zu leisten ist. Wir erhoffen uns, wie in den vergangenen Semestern auch, ein großes Interesse und eine rege Beteiligung an der Diskussion. Wir freuen uns und sind gespannt!

Euer studentisches Milieu / Veranstaltungsgruppe der T-Stube

Eine Veranstaltung mit dem Cafe Morgenland am 28.10. um 18 Uhr in der T-Stube. Auf Facebook als Event hier zu finden.

Bereits in der Einleitung zitiert: 20 Jahre Hoyerswerda: Initiative Pogrom 91

Und folgend: Kritik vom Cafe Morgenland an der Initiative Pogrom 91: hier

3 Gedanken zu „„Allein schon Deutschland II“

  1. zero sagt:

    allein schon facebook – schon irgendwie blöd, wenn der veranstaltungstermin auf dem eigenen blog dort nur in einer explizit zu vergrössernden grafik versteckt und stattdessen ein facebook-event samt öffentlich einsehbarer teilnehmerInnen-liste angepriesen wird…

  2. […] Für alle Kurz-Entschlossenen und alle, die gestern schon die Überfüllung des tollen Vortrags von Noah Sow genossen haben 😉 – gehts gleich weiter in der T-Stube. Um 18 Uhr im Pferdestall gibt es morgen Teil 2 der Veranstaltung “Allein schon Deutschland” mit dem Cafe Morgenland, die wir wärmstens weiterempfehlen möchten. yay! Für mehr Infos: studentischesmillieu […]

  3. […] Allein schon Deutschland II Der Vortragstext des Cafe Morgenland findet sich hier: […]

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